Blogiges vom Tage

28. April 2024

Seit einiger Zeit haben wir regelmäßig Besuch von einem Entenpärchen – sie haben unseren („unseren“) Teich für sich entdeckt und tummeln sich gerne auch mal so in diversen Ecken des Gartens.

26. April 2024

Geschlagene vier Wochen hat mich ein „Infekt“ kaltgestellt (ich schreibe ihn mit Anführungszeichen, weil mir dieses kleine Wörtchen seit dieser Erfahrung viel zu harmlos scheint; man sagt „Ich hatte einen Infekt“ ja meist ganz so, wie man sagen würde „Ich habe mir einen Kratzer am Handgelenk zugezogen“ oder „Gestern bin habe ich mir einen Fingernagel eingerissen“). Und noch immer ist er spürbar – auf dem Rückzug zwar, aber noch präsent genug, um alles ein wenig mühsamer erscheinen zu lassen, selbst das Schreiben. Gefühlt schrumpft diese Zeit, die vier Wochen, die nun einfach verpufft sind, zu einem nebeligen, eintragsfreien Block im Kalender zusammen. Wie lange ich ‚weg‘ war, habe ich gemerkt, als ich wieder rausgehen konnte und feststellen musste (mit Freude natürlich): Das Grün der Pflanzen ist zurück. Selbst meine im letzten Sommer gepflanzten Bananenstauden haben den Winter überstanden und schlagen erneut aus.

15. März 2024

Für eine Aufnahme beim SRF war ich in Bern zu Gast und habe mir zuvor den dortigen Botanischen Garten und natürlich auch die Altstadt anschauen können – very impressive. Und sehr swizzy.

02. März 2024

In diesem Sommersemester werde ich einen Beitrag schreiben, der einen phänomenologischen Schwerpunkt haben wird. Etwas genauer gesagt geht es darum, wie sich (vor allem: tier-)ethische und phänomenologische Fragen und Methodiken aufeinander beziehen lassen: Welchen Stellenwert hat unsere Erfahrung mit anderen Tieren für unsere Vorstellungen von Ethik? Wie reflektieren wir innerhalb der Ethik darüber, wie wir Tiere wahrnehmen, welche Erfahrungen wir mit ihnen machen und wie wir diese Erfahrungen zu Sprache bringen? Die Zeitschrift, für die ich diesen Beitrag (der aber erst 2025 erscheinen wird) schreibe, hat mir freundlicherweise gleich einen ganzen Stapel an Fachliteratur mitgeschickt:

19. Januar 2024

Nichts geht über den überraschten Gesichtsausdruck der Hühner im Schnee. Das sonnige Wetter lässt sie (und mich) die Kälte ein wenig vergessen. Zufällig habe ich dann beim Einsortieren der heutigen Fotos eine Aufnahme von Babette vom Mai letzten Jahres gefunden – unglaublich, wie winzig und dürr sie war. Manchmal kann man den gesamten Schrecken der Tierindustrie erst mit etwas Distanz erfassen…

Babette heute…
…und vor neun Monaten

15. Januar 2024

So ein Jahr wäre ganz schön, wenn man den Winterpart irgendwie überspringen könnte. Andererseits scheint mir der Sommer im Winter fast schöner zu sein als so oft in der Wirklichkeit. Es fällt schwer, sich zu entscheiden.

03. Januar 2024

Nun klafft eine auffallend große Lücke zwischen diesem Beitrag und dem letzten – ein halbes Jahr sogar, in dem viel passiert ist. Hermes ist im Oktober krank geworden, und leider nicht nur ein bisschen. Es fing zunächst ganz harmlos damit an, dass er beim Abendessen neben uns stand und plötzlich eine Zahnfleischblutung bekam, die nicht aufhören wollte. Weil unsere Haustierärztin schon im wohlverdienten Feierabend war, sind wir zu einer Notfallsprechstunde nach Dortmund gefahren, wo dann schnell klar wurde, dass die Angelegenheit bei Weitem nicht so harmlos war wie gehofft. Die Tierärztin sagte nur: „Es ist gut, dass Sie noch vorbeigekommen sind.“ Nichts, was man um elf Uhr abends und in einem Zustand wachsender Sorge wirklich hören möchte. Hermes‘ Blutgerinnung funktioniere nicht richtig, das war also klar. Der erste Verdacht war dann natürlich, dass er irgendwo/-wie Rattengift, dieses furchtbare Zeug, aufgenommen haben musste. Er bekam Vitamin K und die dringende Empfehlung, noch in derselben Nacht in eine Tierklinik zu fahren. Das habe ich dann getan, und er musste gleich dableiben. Auf der Rückfahrt habe ich mir dann abwechselnd große Vorwürfe gemacht (weil Hermes natürlich überhaupt nicht dortbleiben wollte) und mir immer wieder gesagt, dass er dort in guten, vielleicht den besten Händen ist. Der Anruf aus der Klinik am nächsten Morgen war dann niederschmetternd: Hermes habe quasi keine Thrombozyten mehr im Blutbild, also keine funktionierende Blutgerinnung. Ich verstehe schon, dass Tierärzt:innen sich in solchen Momenten auch absichern müssen („..ich will Ihnen ja keine Angst machen, aber…). Schön ist es trotzdem nicht, wenn man zu hören bekommt, dass er theoretisch jeden Moment innerlich verbluten könne. Auch die Ursachenforschung gestaltete sich kompliziert – alle im Blutbild erkennbaren Optionen wurden ausgeschlossen, aber eine klärende Knochenmarkspunktion war aufgrund der Thrombozytenwerte und dem Blutungsrisiko keine Option. Während es dann zunächst hieß, dass er noch nicht „Notfall genug“ sei, um eine Bluttransfusion zu bekommen, hieß es am nächsten Tag, dass er nun gewissermaßen „zu viel Notfall“ war, um noch eine Transfusion zu erhalten – auch hier sei das Risiko zu groß geworden. Parallel bekam er Cortison und Antibiotikum – die Medikation, die gegeben wird, wenn man nicht genau weiß, was der Grund ist.

Auf diese Kombi mussten wir dann unsere Hoffnung setzen. Ich habe meine Tage und Nächste damit verbracht, das zu tun, wovon einem üblicherweise abgeraten wird: Nämlich online nach Studien und Forschungsergebnissen zu vergleichbaren Fällen zu suchen. Nach dem vierten Tag in der Klinik war dann ein Gespräch mit der leitenden Oberärztin angesetzt. Wir sollten Hermes aus der Klinik abholen, ihm noch ein paar schöne Tage zuhause bereiten, und dann über eine Einschläferung nachdenken. Die Werte hätten sich nicht stabilisiert, weder das Cortison noch das Antibiotikum hätten Wirkung gezeigt. Er hatte noch immer genau zwei nachweisbare Thrombozyten im Blutbild (bei einem Referenzbereich von 140 – 520…); man vermutete eine akute Leukämie, also eine Ursache im Knochenmark. Hermes war nach den insgesamt 4,5 Tagen abgemagert, unendlich erschöpft und vollkommen blass; nur sein Unterbauch hatte großflächige lilafarbene Einblutungen unter der Haut. Alles schien völlig aus dem Ruder zu laufen. Die Medikamente bekam er vorläufig weiter. Und nach zwei Tagen zuhause zeigte sich dann, dass es ihm tatsächlich ein wenig besser – er hatte einen gesunden Appetit, lief freiwillig einige Runden durch den Garten. Seine Blutwerte hat dann unsere Haustierärztin mehrfach in der Woche kontrolliert – und während die sich die Thromboyten erholten, gingen die anderen Werte zunächst in den Keller, erholten sich dann aber ebenfalls. Seitdem bekommt er noch immer Cortison – viel weniger als zu Beginn, und wir reduzieren weiter, sofern es die Blutwerte erlauben. Dafür, dass wir uns geistig schon von ihm verabschiedet hatten, bin ich nun so unendlich glücklich darüber, dass er wieder hier und dem Augenschein nach auch gesund und munter ist. Die Diagnose „akute Leukämie“ konnten wir mittlerweile ausschließen, es scheint sich um eine Autoimmunerkrankung zu handeln – die bis dato mit dem kleinen Wörtchen „idiopathisch“ gekennzeichnet wird, was eigentlich auch nur ausdrückt, dass niemand so wirklich weiß, warum sein Körper plötzlich angefangen hat, gegen sich selbst zu kämpfen. Im Nachhinein scheint uns die Zeit im Oktober/November fast unwirklich, dunkel und traurig – was bei diesem unendlich unwahrscheinlichen Ausgang aber auch nur eine untergeordnete Rolle spielt.

11. Juli 2023

Langsam rückt das Semesterende in Sichtweite – noch ein paar Tage, dann endet der Vorlesungbetrieb erst einmal, um dann im Herbst aufs Neue zu starten. Dazwischen liegt meist eine ganz besondere Zeit, weil endlich Freiraum für eigene neue Schreibprojekte da ist. Eins steht gerade vor dem Abschluss – ein Band mit Essays und Aufsätzen zum Verhältnis von Tierethik und Ökologie. Und wenn der Sommer nicht zu heiß und unerträglich wird, dann sollte noch mehr möglich sein – (nicht nur) deswegen hoffe ich auf gemäßigte Temperaturen, die uns allen mehr Luft zum Atmen lassen als die vergangenen Hitzetage.

22. Juni 2023

Dieses seltsame Glück, wenn Artischocken im Garten wachsen – und die Kürbisse von Tag zu Tag größer werden…

21. Juni 2023

Gestern hatte mich ein hier nicht näher genanntes Online-Portal mit theol. Background um ein Statement zur Causa der irischen Kühe gebeten – long story short: Einen wirklich kritischen Kommentar wollte man dann offenbar doch nicht haben – erst wurde mein Text an wesentlichen Stellen geglättet, was mir dann nicht recht war, sodass der Text gar nicht gedruckt wurde. Zumindest hier sollen die paar Sätze daher ihren Ort haben – voilà:

Die irische Regierung erwägt die Tötung zehntausender Kühe aus Klimaschutzgründen – und es gelingt ihr damit, Tierschützer und Tiermäster gleichermaßen gegen sich aufzubringen. Grund genug, die Situation einmal genauer zu sondieren. Was genau passiert hier?

Es scheint mittlerweile zum Standardrepertoire der Politik zu gehören, Probleme ausgerechnet mit den Mitteln lösen zu wollen, die das Problem überhaupt erst ins Leben gerufen haben. Konkret heißt das: Man lässt tierliche Individuen in großen Zahlen vernichten, weil man merkt, dass die Folgen einer – durchaus auch religiös aufgeladenen – Ideologie, die Tiere zu vernichtbarem und ausbeutbarem Leben erklärt, in der Tat desaströs sind, und zwar für alle Beteiligten. Anstatt aber dieser verheerenden Ideologie selbst eine klare Absage zu erteilen, sie zu dekonstruieren, ihre religiösen Anteile aufzuarbeiten, und auch jene mit ihr verknüpften Industrien politisch zu delegitimieren, die die Ausbeutung von Tieren und Menschen (!) zur unhinterfragbaren Staatsraison erklärt, versucht man sich an kleinteiligen Anpassungen. Über die Bedeutungslosigkeit derartiger Maßnahmen könnte man schmunzeln, wenn sie nicht mit derartigem Leid verbunden wären. Der irische Plan ist Ausdruck einer grundlegenden politischen Haltung, die auch hierzulande zu beobachten ist: Es geht um Symptom-Bekämpfung, die sich einer Auseinandersetzung mit den eigentlichen Ursachen verweigert, und die eben diese Verweigerung zugleich als Aktionismus tarnt. Derartige Ansätze haben einzig und allein den Zweck, den status quo irgendwie retten wollen.

Deswegen ist es wichtig, die biopolitische Signatur derartiger Manöver zu durchschauen. Tiere werden – wie im Plan der irischen Regierung – geschlachtet, um zwei Dinge zu retten: Zunächst und allen voran die Schlachtindustrie selbst. Selbst Menschen, die sich vor den moralischen Forderungen durch Tiere vollkommen abschotten können, begreifen nun, dass die Verwandlung dieses Planeten in ein riesiges Schlachthaus wohl schon sehr bald in ein globales ökologisches Desaster führen wird. Weil man aber vom Töten nicht lassen will, weil auch religiöse Menschen ihr Selbstverständnis bis heute daran knüpfen, dass das Sterben anderer, vermeintlich minderwertiger Wesen ihre eigene vermeintliche Höherwertigkeit garantiert und insofern eine eminent psychohygienische und religiöse Funktion erfüllt, wird die einzig sinnvolle Option von Anfang an ausgeschlossen: Dem Wahnsinn der Tierindustrie, dem ewigen Schlachten endlich ein Ende zu bereiten.

Gerettet wird aber auch Verständnis von Ökologie, das ungebrochen anthropozentrisch verfasst ist und das es uns erlaubt, im Namen einer vermeintlich höheren – „ökologischen“ – Ordnung nichtmenschliche Lebewesen auch weiterhin zu töten, damit „unsere“ Ressourcen geschont werden. Dass der Mensch als Spezies selbst wohl die größte ökologische Katastrophe dieses Planeten darstellt, bleibt davon selbstverständlich unberührt. Die Tatsache, dass selbst die glühendsten Verfechter einer theologisch getrimmten Ökologie nicht gewillt sind, ihre vermeintlich „biozentrischen“ oder egalitär-ökologischen Forderungen, die sie lautstark gegenüber Tieren erheben, auch auf unsere eigene Spezies anzuwenden, gibt beredt Zeugnis davon. Sie haben das vorrangige Ziel, einer Apotheose der Gewalt an Tieren mit ökologischen Argumenten den Weg zu ebnen. Es ist deswegen ein Skandal, dass auch die Theologien diese Wiederkunft der scala naturae in Form heutiger Nachhaltigkeits- und Öko-Appelle nicht durchschauen und sich damit in den Dienst einer zutiefst unchristlichen Ideologie stellen, die das Töten Anderer zum Letzthorizont ihres Weltverstehens macht.

19. Juni 2023

Gestern mit der verrückten Idee eingeschlafen, es könnte vielleicht des Nachts regnen (immerhin war es mehrfach so angekündigt), nur um dann heute früh festzustellen: Nein, nichts. Immerhin grillt sich Deutschland an den Wochenenden unterbrechungslos selbst ins Delirium…

14. Juni 2023

Erinnert ihr euch noch an die kleine Helena, das winzige Huhn aus der Rettung Ende April? Damals sah Helena noch so aus:

Mittlerweile, keine zwei Monate später, hat sie sich regelrecht verwandelt – optisch, aber auch ihr ganzes Wesen ist viel ruhiger, entspannter und viel weniger ängstlich geworden. Sie ist jetzt zum ersten Mal wirklich Huhn.

Auch den anderen Hühnern geht es gut. Als ich heute früh die Tür zum Gehege geöffnet habe, rannte Evita (eins der weißen Hühner) schnurstracks zu unserer mittlerweile recht hohen Wildblumenwiese und verschwand dort für eine Weile. Nun eben habe ich dann auch den Grund dafür entdeckt:

04. Juni 2023

Künstlerisch (und technisch wohl vor allem) ist noch Luft nach oben zu erkennen bei den „Cyanotypien“. Ich musste etwas probieren, um überhaupt einige erkennbare Strukturen auf dem Papier abbilden zu können, aber langsam wird es besser…eine schöne Nebenbeschäftigung am Sonntag.

20. Mai 2023

Hühner haben einen recht ausgeprägten Hang zur Hygiene – mehrfache Staubbäder gehören da zur täglichen Routine. Am meisten Freude scheint die Prozedur zu bereiten, wenn gleich mehrere Hennen daran beteiligt sind. Gerne schläft man dann auch schon mal in der Badewanne ein, wer sollte es ihnen verübeln. Schlimm ist einzig die Vorstellung, dass unsere so vorbildliche deutsche Tierindustrie den Tieren selbst dieses basale Bedürfnis verwehrt. Als Lebewesen in den Händen der „wir-halten-uns-an-alle-Vorgaben“-Tierindustriellen zu landen, ist natürlich aus unzähligen Myriaden Gründen ein entsetzliches Schicksal. Sich nie waschen zu können, nicht einen Tag seines Lebens das tun zu können, was man gern tun würde – diese Zumutung ist erst recht in der unverschämten Selbstverständlichkeit, mit der Menschen andere Wesen zu diesem Dasein verurteilen, durchaus ein Akt, der kriminell genannt werden sollte.

17. Mai 2023

Wenn ich mit den Hunden im Garten bin, kommen die Hühner sicherheitshalber in ihr Gehege – dort hat die kleine Helena (die sich übrigens sehr gut entwickelt, immer entspannter wird und auch körperlich aufgeholt hat) entdeckt, dass man die ersten Knospen des Holunderstrauchs ganz prima abreißen und futtern kann…davon ist dieses kleine Video entstanden:

09. Mai 2023

Dieser Darwin-Moment funktioniert einfach immer wieder. Heute früh habe ich diese tote Hornissen-Königin im Garten gefunden – zersetzt von einem Pilz, ein Sterben vermutlich über Tage und Wochen, unbemerkt in einer Ecke des Gartens. „Nun zur theologischen Seite der Frage“, schreibt Darwin in einem Brief an Asa Gray – „dies ist mir immer peinlich. Ich bin verunsichert. Ich hatte nicht die Absicht, atheistisch zu schreiben. Aber ich gebe zu, dass ich nicht so deutlich, wie es andere sehen und wie ich es selbst gerne sehen würde, rings um uns her Beweise für Zweckbestimmung und Güte zu erkennen vermag. Es scheint mir zu viel Elend in der Welt zu geben. Ich kann mich nicht dazu überreden, dass ein gütiger und allmächtiger Gott mit Absicht die Schlupfwespen erschaffen haben würde mit dem ausdrücklichen Auftrag, sich im Körper lebender Raupen zu ernähren, oder dass eine Katze mit Mäusen spielen soll. Da ich daran nicht glaube, sehe ich auch keine Notwendigkeit in dem Glauben, dass das Auge bewusst geplant war. Andererseits kann ich mich keineswegs damit abfinden, dieses wunderbare Universum und insbesondere die Natur des Menschen zu betrachten und zu folgern, dass alles nur das Ergebnis roher Kräfte sei. Ich bin geneigt, alles als das Resultat vorbestimmter Gesetze aufzufassen, wobei die Einzelheiten, ob gut oder schlecht, dem Wirken dessen überlassen bleiben, was wir Zufall nennen könnten. Nicht, dass mich diese Einsicht im mindesten befriedigte. Ich fühle zutiefst, dass das ganze Problem für den Intellekt des Menschen zu hoch ist. Ebenso gut könnte ein Hund über den Geist Newtons spekulieren. jeder Mensch soll hoffen und glauben, was er kann.“

07. Mai 2023

In einem älteren, unscheinbaren Heftchen unseres Bücher-Tausch-Regals an der Uni gefunden – Dorothee Sölle über die Frage: Wer ist Jesus von Nazareth – für mich?. Er ist der, so Sölle, der „etwas älter als ich, mir immer schon einen Tod voraus ist. Der, etwas jünger als ich, verrückter, mir immer schon ein Wunder voraus ist. […] Er lässt es nicht zu, dass nur ein einziger Tag meines Lebens gering geachtet, sinnlos, ohne das große Experiment sei. Ich lerne von ihm, allen Zynismus zu überwinden. Diese Lektion finde ich heute am schwersten – es gibt überzeugende Gründe, Menschen zu verachten, es gibt großartige Gründe, mich selber zu verachten. Es gibt eine Versuchung, das Leben nur teilweise, nur ein Stück weit, nur unter Umständen zu bejahen. Er beschämt mich – meine endliche, ungeduldige, teilweise, oberflächliche Bejahung. Er lehrt mich ein unendliches, revolutionäres, nichts und niemanden ausschließendes Ja.“

03. Mai 2023

Mir ist aufgefallen, dass ich meist nur von den neu eingezogenen Tieren schreibe. Aber natürlich kennt das Zusammenleben nicht nur diese eine Richtung – genauso, wie Tiere hier einziehen, sterben sie irgendwann auch. Mit jedem Tier, das einzieht, zieht immer auch die Aussicht auf sein mal nahes, mal noch fernes Sterben wie ein ungeliebter Untermieter mit ein. Zuletzt ist Tiffi gestorben, eine braune Hybridhenne aus einer Hühnerrettung im Frühling 2021. Rechnet man die Zeit in der industriellen Tierhaltung mit ein, dann ist Tiffi insgesamt etwa mehr als drei Jahre alt geworden. Anfang Februar dieses Jahres wurde bei ihr ein Tumor festgestellt, der leider nicht operabel war. Mit guter Schmerzmedikation hatte sie dann – wider Erwarten – doch noch gut zwei Monate, mit einigen schönen, vorfrühlingshaften Sonnentagen. Eines Abends war dann aber klar, dass es nicht mehr ging; es ist ein bisschen seltsam, aber oft kann man das regelrecht sehen. Wenn ich „objektive“ Gründe dafür angeben müsste, dann würde ich sagen: Kein Tier wird eingeschläfert, das von sich aus noch essen will und/oder Interesse zeigt, sich zu bewegen. Aber der Grad ist immer mehr als schmal. Bei Tiffi war es dann irgendwann so weit, ich habe sie einschläfern lassen, bei einer unendlich großartigen Tierärztin. Ohne hier ins Detail gehen zu können/wollen: Ich rate allen, die mit Tieren zusammenleben und deswegen auch deren Sterben irgendwann einmal als Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, sich damit auseinanderzusetzen, und zwar bevor der Ernstfall eintritt. Wichtig ist auch, sich gerade als Laie in die veterinärmedizinischen Hintergründe der verschiedenen Euthanasie-Mittel einzuarbeiten (Stichwort: Pentobarbital vs. T61). Letzteres Mittel ist für mich bei meinen Tieren jedenfalls keine Option.

Tiffi ist nun beerdigt – am Kirschbaum. In unserem Garten, der manchmal mehr Friedhof als Garten ist…und über dessen Belegung (alle † – bislang 18 Gräber! ) wir akribisch Buch führen, in Form einer Gräber-Gartenkarte:

29. April 2023

Eine liebgewonnene Gewohnheit von Hermes: Sich ins Bett tragen zu lassen. Reichlich praktisch, so ein eigener Mensch.

27. April 2023

Schon am Wochenende ist dieses kleine Video entstanden: Das erste Sonnenbad im Leben dreier kleiner Hühner…

26. April 2023

Am Wochenende sind vier Hennen eingezogen, zum Leidwesen der drei Hennen, die schon da waren und nun Haus, Hof und Garten teilen müssen. Man ist recht erbost. Aber das wird schon. Zwei der vier haben noch keinen Namen. Zwei der vier aber doch. Brunhild ist wehrhaft – den anderen Hennen gegenüber, mir gegenüber, und Abigail gegenüber. Allem, was ihr verdächtig scheint (die anderen Hennen, Abigail und ich) begegnet sie, indem sie erstmal drauflos pickt. Nicht richtig fies, aber deutlich genug. Ihr Gefieder war nicht so verdreckt wie das der anderen Hennen. Vermutlich hat sie sich in der grauseligen „Bodenhaltung“ gegenüber den anderen einigermaßen behaupten können und musste sich nicht auf die unteren Stangen zurückziehen. So konnte sie dem von oben herab fallenden Dreck ihrer Mitinsassinen entgehen. Anders die kleine Helena: Sie ist winzig, fast körperlich zurückgeblieben. Abgemagert und klapperdürr. Sie schreit aus voller Kehle, wenn die anderen sich ihr nähern, Ein Rätsel, dass sie überhaupt noch lebt. Die Tierindustrie weiß nun einmal, bis zu welchem Punkt sie die Tiere gnadenlos ausnutzen kann; bis auf die Minute scheint diese Nutzungsdauer vorausberechenbar. Effizienz, die das blecherne Bauernherz höherschlagen lässt. Was dann zurückbleibt, sind kleine klapperdünne Gespenster wie Helena, mehr Schatten als Huhn. Sie huscht vor allem weg, ist immer auf der Hut. Und sie ist aufmerksam: Seltsamerweise ist sie dann doch immer irgendwie in der Nähe, kommt sogar, wenn man sie leise ruft.

Die kleine Helena
Brunhild hat direkt die Funktion der quietschgrünen Wasserbehälter gecheckt.
…die älteren Hennen wurden vorsorglich die ersten Stunden ausquartiert. Kam nicht gut an.
Da draußen ist tatsächlich eine Welt.