Das Miteinander von Tieren, Menschen und Pflanzen war auch Thema beim evangelischen Kirchentag in Dortmund: Auf dem Podium „Wert-schätzend? Unser Umgang mit Lebensmitteln“ stritten die Teilnehmenden über die drängenden politischen und ethischen Fragen: Welche Beziehungen können wir jenseits einer reinen Kosten-Nutzen-Kalkulation zu Lebensmitteln haben? Kann es überhaupt eine Würdigung der Lebensmittel geben, wenn sie zu-gleich reines Mittel zur Ernährung sind? Wo und wann ist „Wertschätzung“ nur noch eine leere Metapher, wo wird der Begriff ggf. schon zweckentfremdet (man denke an „humane Schlachtungen“ u.ä.)? Welche Beziehung insbesondere zu den Tieren, aber auch den Pflanzen kann es geben, wenn sie zugleich immer schon „auf dem Teller“ landen? Was kann in christlicher Perspektive die Rede von einer ge-teilten Schöpfung sein, wenn der Eine stets auf Kosten Anderer lebt? Wie viel „Todespragmatik“ verträgt eine christliche Ernährungsethik?


Joachim Ruckwied, der den Bauernverband vertrat, machte sich dafür stark, die Lebensmittelproduktion stärker ökologisch auszurichten. Leider blieb unklar, wie genau diese Forderung konkretisiert werden sollte, denn etwa das unsägliche Schreddern von Küken sei, so Ruckwied, leider immer noch „notwendig“, auch wenn er dies bedaure. Viele im Publikum waren von diesem offenherzigen Eingeständnis überrascht: Die Tierindustrie opfert ethische Standards offenbar ganz grundsätzlich dem ökonomischen Kalkül. Man wird Herrn Ruckwied dankbar sein müssen, dass er diese schockierend erbarmungslose Haltung in dieser Ehrlichkeit öffentlich zum Ausdruck gebracht hat.
Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck wollte diese Geringschätzung den einzelnen Tieren gegenüber nicht so stehen lassen: Er berichtete von grauenhaften Erfahrungen in Schlachthöfen, die er in Praktika selbst erlebt hatte und nahm dabei explizit Bezug zur Keynote von Rainer Hagencord, dem Gründer des Instituts für Theologische Zoologie. Dieser hatte in seinem Vortrag an das Leiden der Tiere erinnert, die der „Fleischindustrie“ tagtäglich zum Opfer fallen, und dabei immer wieder die Nähe zwischen Tieren und Menschen betont:
„Kein anderes Tier neben den großen Menschenaffen ist uns so nahe, wie das Schwein. Tatsächlich ist dies nicht nur von seiner Stoffwechselphysiologie, der Histologie und Genetik so, sondern es ist eines der wenigen Tiere, die das gleiche Augenweiß haben wie wir Menschen. Schauen Sie ihnen also ins Angesicht, erblicken Sie hellblaue, dunkelblaue, braune und grüne Augen, wie bei uns! Und wenn Sie dann neben einem Tiertransporter von Tönnies auf der Autobahn fahren müssen, schauen Sie in ihre angsterfüllten Augen unter dem Logo des Schlachters, auf dem ein Schwein, ein Kalb und eine Kuh ihre Schwänze in Herzform zusammenlegen und lächeln.“
(Rainer Hagencord)
Keynote auf dem Podium „Wert-schätzend? Unser Umgang mit Lebensmitteln“
Thema war daher auch die Frage, wie sich Christ/inn/en ernähren sollten. Clemens Dirscherl, der sich für das fragwürdige „Tierwohl“-Programm des Mega-Konzerns „Kaufland“ verantwortlich sieht, erklärte rundheraus: Natürlich sei Fleisch auch für Christ/inn/en kein Problem, schließlich habe Jesus auch Fleisch gegessen. Als Anwältin des Publikums konnte ich die via SLIDO geäußerten Rückmeldungen mitlesen, die offenbar von deutlich kundigeren Menschen kamen: Die Frage sei schlicht nicht, ob Jesus Fleisch gegessen habe oder nicht (de facto ist biblisch nicht bezeugt, dass er dies getan hat – bei Lk 24 wird über den nachösterlichen Christus gesagt, dass dieser ein Stück Fisch zum Beweis seiner leiblichen Auferstehung gegessen habe, aber der biblische Jesus hält sich auffällig zurück, was den Konsum von Fleisch betrifft!), sondern ob er dies auch heute tun würde. Erstaunlich ist doch, dass niemand heute darauf angewiesen ist, Tiere zu essen; Fleisch, Milch & Co. sind – entgegen den Beteuerungen der Tierindustrie – eben keine Notwendigkeit: Daher ist auch die Frage falsch gestellt, wenn sie lautet: Dürfen Christ/inn/en Tiere essen? Es würde schon genügen, eine ehrliche Antwort auf die Frage zu geben, ob sie dies müssen. Es gibt ein Leben, das den Tod der anderen nicht braucht. Gerade das ist die befreiende Botschaft des Christentums.
Weil viele Rückmeldungen aus dem Publikum leider ungehört blieben und die Moderation nur wenig Möglichkeiten dazu ließ, seien hier noch einmal einige Stimmen zu Gehör gebracht:














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